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Maitreya-Haus Hohenau 2003

Tag der Achtsamkeit...

 

Leserbrief für Connection (-Medien eV.)
Bilder von der Website des Maitreya-Hauses

 

tja, da hatte ich gehofft, am "Tag der Achtsamkeit" im Haus Maitreya den Zen-Meister Thich Nhat Hanh einmal mit nur wenigen Teilnehmern teilen zu müssen - und dann waren da zwischen 600 und 1000. Wie soll man da einen "Tag der Achtsamkeit" haben?

 

Aber - Überraschung: das geht doch!

Es war wirklich beeindruckend, daß selbst mit dieser Menschenmenge - fast zufällig für einen Tag zusammengewürfelt- solch ein Erlebnis möglich ist. Es war tief, und es war lehrreich.

 

Ich will hier keine Reportage über alle Teile des Tages versuchen, sondern nur diesen Teil, der für mich über den Tag hinaus wichtig geworden ist. Über die Tiefenentspannung, die Erdungsübung, die gemeinsame Gehmeditation in der Sonne und die Dharma-Frage-und-Antwort-Session mag man anderswo lesen.

 

 

 

 

Wenn es einen einzelnen Aspekt gibt, mit dem man in einem Wort die Arbeit des vietnamesischen buddhistischen Mönchs und Sangha-Hauptes Thich Nhat Hanh charakterisieren kann, dann mag es dieses Wort der "Achtsamkeit" sein.

 

"Ich atme ein - und weiß daß ich einatme ..."

"ich atme aus - und weiß daß ich ausatme..."

den Atem beobachten in der Sitzmeditation,

 

ein Schritt, "Ich atme ein - ich bin angekommen ..."

ein weiterer Schritt "ich atme aus - ich bin daheim"

den Atem beobachten in der Gehmeditation

 

... eine dermaßen einfache Übung, durchgeführt, so daß diese Worte "ich weiß..." sich verwandeln von einem gedachten Text, der beim Konzentrieren hilft, hin zu einem Gefühl, zu einem schlichten Gewahrsam-sein, dessen was ist, dessen, was ich gerade mache, dessen wie ich gerade bin.

 

Achtsam sein... die Freude des puren Daseins entdecken...

 

Für mich als altem Friedensaktiven hatte dieser Tag eine überraschende Erkenntnis zu bieten; sozusagen eine lang gesuchte Klammer anscheinend weit auseinanderliegender Elemente.

 

Dazu sollte ich vielleicht erwähnen, daß ich in den siebzigern als Kriegsdienstverweigerer und Pazifist in der Friedensbewegung (DFG/VK) aktiv, und in den achtzigern meine weltanschaulichen und Friedensambitionen in einem (damals weithin bekannten ;-) ) sozialistischen Studentenbund ausgedrückt habe. Der Vietnamkrieg und die uns bekanntgewordenen Folgen waren sehr prägend gewesen in den frühen siebzigern; eine Zeit, in der der heute hier vor uns über's Atmen sprechende Thich Nhat Hanh bereits durch buddhistische Sozialarbeit in den vietnamesischen Dörfern und durch prominente Teilnahme an Antikriegskampagnen in den USA bekannt geworden war.

 

Als ich '86 aus dem Spartakus austrat, war einer der Hauptgründe, daß - je höher die innerorganisatorische Ebene - die dort verankerten Personen umso mehr von politisch/taktischen Machtfragen umgetrieben waren, und umso weniger mit dem ursprünglichen humanen und demokratischen Idealismus der stets neu zu uns kommenden Mitglieder in Berührung standen,...

... und demzufolge auch immer weniger in der Lage waren, diesen zu nähren, seine Entwicklung zu fördern, ihn also überhaupt zu nutzen.

Einige Male, wenn ich dies -noch innerhalb der Organisation- kritisierte, wurde mir der Vorschlag gemacht: "wenn du wirklich meinst, daß es so ist, dann mache du doch den Anfang". Mein Gefühl darauf war: wenn ich, 1986, in einer Bewegung die 150 Jahre alt ist, mit so etwas Grundsätzlichem, Einfachen der erste sein sollte... dann stimmt etwas nicht im Grundsätzlichen - und dann dürfte ich wohl auch der letzte sein. Trotzdem habe ich noch einige Jahre Leitungsarbeit in meinem Sinne gemacht, in der ich dann wohl auch kritisch beäugt worden bin ;-)

 

 

Es hat dann 10 Jahre gedauert, bis ich auf der Suche nach einer besseren, einer tiefergehenden Alternative, die ich nun in den spirituellen Wegen zu finden glaubte/glaube, zunächst an Bücher von Krishnamurti, Osho, aber auch an das Urchristentum und dann an den Buddhismus gekommen bin.

 

Was hat aber nun Buddhismus mit dem Ideal einer humanen, friedlicheren Welt zu tun?

 

 

Die vier Wahrheiten um das Leiden, seine Erkenn- und Überwindbarkeit, und um den Weg zu seiner Überwindung: in den Sutren des Palikanon liegen in verschiedenen Schichten tiefe Weisheiten...

 

Aber dient das nicht alles nur einer -sozusagen- privaten Geschichte?

 

Die Klammer, die heute, am Tag der Achtsamkeit, für mich geschlossen wurde, zeigt plötzlich die Verbindung, besteht in ihr.

 

Wie kann das sein?

 

Kurz vor meiner Reise nach "Plum-Village", in das südfranzösische Kloster des Thich Nhat Hanh, erstand ich sein Buch "Wie Siddharta zum Buddha wurde". In Form eines anschaulich ausgeschmückten Berichtes aus der Sicht eines Teilnehmers der Wanderschaft und der Ur-Sangha des Siddharta bringt Thich Nhat Hanh dem Leser die Lehre des Buddha in 81 Kapiteln nahe. Im neunten Kapitel gibt er eine Deutung für einen Teil des "Leidens" die eine solche Verbindung herstellt - eine einfache, "eigentlich" durchaus allseits bekannte, aber eine, die aus dem buddhistischen Zusammenhang heraus die über die persönliche Weiterentwicklung hinausgehende gesellschaftliche Dimension illustriert und explizit ernstnimmt.

 

 

9

Der Pfad des Mitgefühls

 

Siddhartha und Yasodhara heirateten im darauffolgenden Herbst.

(...)

 

König Suddhodana hatte nun seinen Frieden wieder, denn Siddhartha folgte ja jetzt dem Weg, den der König sich für seinen Sohn gewünscht hatte. Persönlich wählte er die besten Musiker und Tänzerinnen des Königreichs aus. Sie sollten seinen Sohn und seine Schwiegertochter überall auf angenehme Weise unterhalten.

 

(...)

selbst wenn sie dorthin gingen, wer würde ihnen helfen? Siddhartha wußte, daß selbst der König nicht die Macht besaß, die Situation zu verändern.

 

Er hatte schon lange begriffen, wie der königliche Hof im Inneren funktionierte. Jeder Beamte war eifrigst damit beschäftigt, seine Macht zu schützen und zu stärken; ihm ging es nicht darum, die Leiden der Bedürftigen zu mindern. Siddhartha hatte die mächtigen Verschwörungen erlebt, die sie gegeneinander anzettelten, und er empfand gegen die Poltik nichts als Abneigung. Er wußte, daß selbst die Autorität seines Vaters brüchig und beschränkt war - ein König besaß keine wahre Freiheit, sondern war durch seine Stellung eingeschränkt. Sein Vater wußte um den Neid und die Bestechlichkeit vieler Beamter, aber er war gezwungen, sich auf diese Individuen zu stützen, um die Stabilität seines Reiches zu sichern. Siddhartha erkannte, daß auch er so handeln müßte, stünde er an der Stelle seines Vaters. Er wußte, die Bedingungen würden sich nur ändern, könnten die Menschen in ihrem eigenen Herzen Neid und Mißgunst überwinden. Und es verlangte ihn sehr danach, einen Weg der spirituellen Befreiung zu finden.

 

 

Hier findet sich nun der Zusammenhang, der den buddhistischen Mönch und den sozialen und politischen Friedensaktivisten in der Person Thich Nhat Hanh zusammenbringt.

 

Tja - manchmal muß man ein einfaches Wort nur im rechten Zusammenhang erneut hören, damit es "klick" macht. Gibt es etwas einfacheres als diese Verbindung?

 

 

Aber in aller Einfachheit muß sie doch immer erst herausgearbeitet werden, selbst wenn ich mit Allervertrautesten  - z.B. meinen Geschwistern,  Schwagern oder Bekannten - spreche.

 

Das Instrument dazu ist - ?

 

         die Pflege der Achtsamkeit.

 

Die Pflege des bei-sich-Ankommens. Z.B. durch das Atmen, die Sitz- oder Gehmeditation, die dieses bei-sich-Ankommen, sich-seiner-Gewahrwerden unterstützen und stabilisieren. Letzteres kann ein Anlaß für das Erkennen nach außen gewendeter Leiden und ihrer Lösung werden, für das Betreten des Pfades zum inneren und äußeren Frieden.

 

In der Praxis seiner Lebensgeschichte wie in seinem Vortrag scheint dieser Pfad des 76-jährigen Meisters ("Thay") Thich Nhat Hanh sichtbar.

 

 

In seiner Dharma-Ansprache berichtete Thich Nhat Hanh von dem Besuch dieser katholischen Journalistin, die für ihre katholische Zeitung eigentlich einen eher kritischen Bericht schreiben wollte, dann aber zu einem einwöchigen Aufenthalt animiert wurde - und nachher ihre Reportage überschrieb:

 

"Das Land des Hier und Jetzt - Ich fand den Frieden in Perigaud"

 

Ich kann mich dem heute anschließen...

 

Gottfried Helms

 

 

...Achtsamkeit...

 

Ich atme ein - und weiß daß ich einatme ...

ich atme aus - und weiß daß ich ausatme...

...

bewußt atme ich ein

bewußt atme ich aus

...

bewußt schreibe ich

bewußt höre ich auf zu schreiben...

 

:-)